Zwischenräume
Die kontinentaleuropäische Rechtsgeschichte der Moderne ist vor allem die Rechtsgeschichte des Nationalstaats mit seinen klaren Grenzen und dem Bestreben, auf seinem Territorium ein einheitliches, kodifiziertes Recht durchzusetzen und partikulare Rechtskulturen zugunsten einer – jedenfalls postulierten – nationalen Rechtskultur zu beseitigen. „Zwischenräume“ sind in diesem Modell nicht vorgesehen. Auch wenn sie zu einem bestimmten Nationalstaat gehören, existieren aber trotzdem Regionen, die häufig nicht nur durch multiple Loyalitäten und Identitäten ihrer Bewohner, sondern auch durch rechtskulturellen Austausch und Pluralismus gekennzeichnet sind. Verschiedene Rechtskulturen begegnen sich dort, überlagern sich, verbinden sich und erzeugen eine regionale Rechtskultur – oder bekämpfen sich. Gleichzeitig fungieren diese Regionen nicht selten als Laboratorien für die Erprobung neuen Rechts, das erst später im Gesamtstaat eingeführt wird oder beeinflussen die Organisationsstruktur des Gesamtstaats.