Die Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts als Cour de Cassation
des Reichslands Elsaß-Lothringen 

Eray Gündüz 


Bei der vorliegenden Übersicht (work in progress) handelt es sich um den Versuch, die komplette Rechtsprechung des Reichsoberhandelsgerichts als Cour de Cassation des Reichslands Elsaß-Lothringen tabellarisch zu erfassen und somit die Zugänglichkeit der Judikatur dieses obersten Gerichtshofes zu erhöhen. Das 1869 zunächst noch als Bundesoberhandelsgericht gegründete Gericht firmierte seit 1871 als Reichsoberhandelsgericht und war für eine einheitliche Anwendung der Allgemeinen Deutschen Wechselordnung und des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches zuständig. Zugleich übernahm es nach der Annexion der Gebiete Elsass-Lothringens an das deutsche Reich die Funktion eines obersten Kassationshofs, womit es für die annektierten Gebiete die Aufgabe des Pariser Cour de Cassation übernahm. Erst 1879 endete dieser Zustand als das Reichsoberhandelsgericht in das dann gegründete Reichsgericht überführt wurde (näher hierzu demnächst: Löhnig, Das Reichsoberhandelsgericht als Cour de Cassation für Elsass-Lothringen und seine Rechtsprechung in Zivilsachen (1871–1879), ZRG (Germ) 140, 2023). 

Neben der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts (ROHGE, 25 Bde.) befinden sich weitere fünf Bände in Form einer „Sammlung Sämmtlicher Erkenntnisse des Reichs-Oberhandelsgerichts“ in der Bibliothek des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe archiviert. Die dort niedergeschriebenen Entscheidungen für die Gebiete Elsaß-Lothringens sind in der nachfolgenden Tabelle systematisch aufbereitet worden. Sie soll einen ersten Überblick über die einschlägige Judikatur des Reichsoberhandelsgerichts auf den Gebieten des Reichslandes ermöglichen und die Auswahl und Reproduktion einzelner Entscheidungen erleichtern. Dafür wurden die sämtlich in Kurrentschrift abgefassten Entscheidungen auf folgende Weise tabellarisch erfasst: 

Die Entscheidungen sind zunächst nach einem örtlichen Kriterium, dem Auftreten des Reichsoberhandelsgerichts als oberster Kassationshof für die Gebiete Elsaß-Lothringens, vorsortiert worden. Die ebenfalls in den Bänden vorhandenen Entscheidungen auf den Gebieten der Rheinlande sind nicht erfasst worden. Anschließend wurde vor allen Dingen anhand der zitierten Normen – nicht anhand einer vollständigen Lektüre des Urteils – eine Einordnung in ein bestimmtes Rechtsgebiet (retrospektiv in Privatrecht, Strafrecht und Öffentliches Recht) vorgenommen. Eine vollständige Lektüre der Entscheidungen konnte aus forschungsökonomischen Gründen nicht geleistet werden, da die teilweise schwer entzifferbaren Entscheidungen dafür zunächst hätten vollständig transkribiert werden müssen. Allerdings sind die zitierten Normen gleichwohl das geeigneteste Kriterium, um eine Rechtssache einem bestimmten Rechtsgebiet zuordnen zu können und somit die Anzahl an für ein Forschungsprojekt wahrscheinlich einschlägiger Judikatur bereits erheblich einzugrenzen. Zudem sind Entscheidungen, in denen Rechtsprechung und Literatur zitiert wurde, entsprechend gekennzeichnet, ebenso wie der Hinweis, ob eine Entscheidung aufgehoben wurde (+) oder nicht (–), wofür jeweils der letzte Absatz der Entscheidung („Aus diesen Gründen“) herangezogen. 

Obwohl mit größtmöglicher Sorgfalt gearbeitet wurde, sind Fehler bei der Systematisierung nicht auszuschließen. Es ist etwa durchaus möglich, dass einzelne in der Entscheidung zitierte Normen oder Rechtsprechungs- und Literaturzitate übersehen wurden und in der Tabelle daher fehlen. Gleichwohl dürfte dies allenfalls in den seltensten Fällen dazu geführt haben, dass die Entscheidung eigentlich ein völlig anderes Rechtsgebiet behandelt als angegeben ist. Mit den zahlreichen, anhand dieser Tabelle ausgewählten und transkribierten Entscheidungen, wurden stichprobenartig Rückvergleiche vorgenommen, bei denen uns keine Fehler aufgefallen sind. Trotz derartiger Limitationen erlaubt die vorliegende Tabelle also einen erheblich erleichterten ersten Zugang zu den nicht öffentlich publizierten Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts. Über jeden Hinweis auf dennoch eingeschlichene Fehler, Anregungen, Kritik & Lob freuen wir uns jederzeit ([email protected]). 

Die Übersicht hätte übrigens nicht erstellt werden können ohne die unermüdliche Hilfsbereitschaft der Mitarbeiter:innen der Bibliothek des Bundesgerichtshofs, insbesondere Dr. Marcus Obert und Helgrid Söder, bei denen wir uns hiermit ganz herzlich bedanken möchten.